Projekt 60-V

Ausgangspunkt für mein „Projekt 60-V“ was B. Kainkas Buch über Röhrenschaltungen mit geringen Anodenspannungen. Das wollte ich auch mal ausprobieren. In der Bastelkiste lagen noch zwei Gleichspannungsnetzteile mit jeweils 30 V Ausgangsspannung mit einer Strombelastbarkeit von 500 mA. Das sollte schon reichen. Die Netzteile liefern eine schon vorgesiebte Gleichspannung, die jedoch noch nicht stabilisiert ist. Also baute ich zuerst mal eine Spannungsstabilisierung mit Z-Diode und Dalingtontransistor auf. Unter Vollast bleiben da lediglich 10 mV Restbrummspannung. Das reicht für einen Gegentaktverstärker völlig aus.

Die erste Versuchsschaltung baute ich mit einem Netzteil und 30 V Anodenspannung auf. Dabei nutzte ich als Phasendreher ein System einer ECC 82 und als Endstufe jeweils die beiden Systeme einer ECC 813. Schaltet man die einzelnen Heizungen der ECC 813-Systeme mit den parallel geschalteten Heizfäden der ECC 82 in Reihe, dann kann man mit 30 V Heizspannung bei 300 mA Strom alle Systeme heizen.

Das Ergebnis dieses ersten Versuchs war erfolgversprechend. Allerdings hätte ich gern etwas mehr Eingangsempfindlichkeit. Das würde eine weitere Röhre erfordern und da fiel mir keine passende Kombination für den Heizstrom mehr ein. Nun war guter Rat teuer ... oder nicht?

Bei der Suche nach anderen geeigneten Röhren blieb ich bei der PCL 82 hängen. Mit 16 V Heizspannung konnte ich zwei Röhren an einem Netzteil heizen. B. Kainka schrieb mehrfach, dass eine Unterspannung im Bereich von 2 V kein Problem darstellte. Beim genauen Nachmessen zeigte sich dann, dass die unstabilisierte Spannung im belasteten Zustand zwischen 31,2 und 33 V lag. Das reichte dann völlig. Nun brauchte ich aber für jedes Pärchen ein eigenes Netzteil. Es lag daher nahe, beide Sekundärspannungen der Netzteile in Reihe zu schalten und mit 60 V zu arbeiten. Also in der Stabilisierungsschaltung die Z-Diode gegen einen 56 V-Typ ausgetauscht und einen Versuchsaufbau gemacht.

Zunächst einmal die Gegentaktendstufe mit den Pentoden und den Phasendreher mit einer Triode. Das Ganze machte schon recht ordentlich Krach, wenn man 0,8 – 1,0 V Eingangsspannung hatte. Aber da war ja noch eine Triode frei. In Anlehnung an die Schaltungen aus B. Kainkas Buch dimensionierte ich die Vorstufe und es wurde wirklich merklich lauter. Aber plötzlich kam eine völlig verzerrte Ausgangsspannung an den Lautsprechern an.

Es schlossen sich drei Tage mit Messen, Experimentieren, Röhrenforum nerven usw. an. Dann endlich fand ich den alles entscheidenden Schaltungsfehler. Ein Widerstand in der Anodenzuleitung zur Vorstufe war statt an der Betriebsspannung an der Anode des Phasendrehers angeschlossen. Das konnte nicht gehen. Und nachdem hier der Lötkolben für Ordnung gesorgt hatte, war auch das Ausgangssignal wieder symmetrisch.

Die ersten Tests hatte ich mit verschiedenen 100-V-Übertragern gemacht. Damit ließen sich schon recht beachtliche Ergebnisse erzielen. Aber eine Gegentaktendstufe mit separaten Ausgangsübertragern für jede Leistungsröhre wird immer eine Krücke bleiben. Zufällig gab es bei Pollin für kleines Geld Netztrafos 2x115 V auf 2x15 V. Und weil auch gerade PCL 82 im Angebot waren, bestellte ich mal einen Posten Teile dort.

Als die Trafos ankamen wurden sie sofort auf ihre Brauchbarkeit getestet. Nun ja, die Ergebisse auf dem Oszi sahen nicht schlechter aus, aber auch nicht besser. Da war also noch Optimierungspotential vorhanden.

Nachdem nun die prinzipielle Brauchbarkeit der Schaltung nachgewiesen war, folgte der Aufbau in der endgültigen Form. Wieder mal trat ich im Röhrenforum ins Fettnäpfchen, weil die Frage nach dem Abstand der Röhren schon mehrfach beantwortet wurde. Schlussendlich fand sich aber doch jemand, der mir den Rücken stärkte. Dass die Röhren so eng beieinander montiert werden mussten liegt an dem vorgesehenen Gehäuse. Ich hatte noch einen 4fach KVM-Switch, dessen Umschalter den Geist aufgegeben hatte. Da hinein soll der gesamte Verstärker. Wie man auf so eine Idee kommt – ganz einfach, der Verstärker soll mal auf dem Schreibtisch seinen Platz finden und die winzigen Plastikquäker ersetzen.

Für den Aufbau des Verstärkers hatte ich in der Bastelkiste noch doppelte Lötösenleisten mit zwei mal 9 Lötösen. Zwischen den Lötösen ließen sich zwei Röhrenfassungen montieren. Allerdings mussten dabei vier Lötösen entfernt werden. Anfangs hatte ich so meine bedenken, ob die restlichen 14 Lötösen als Lötstützpunkte reichen würden. Dann jedoch hatte ich die Idee, die Befestigungsschrauben für die Röhrenfassungen vermittels weitere Lötösen als Masse-Stützpunkte zu nutzen. Das entspannte die Lage beträchtlich. Und wie die folgenden Bilder beweisen, lässt sich der ganze Bauteilewust tatsächlich auf der kleinen Fläche unterbringen. Es bleiben sogar noch zwei Lötösen übrig.

Und die beiden Röhren? Naja, sie stehen schon recht eng beieinander. Ich denke allerdings, dass durch den offenen Einbau im Gehäuse (die Röhren werden zum größten Teil aus dem Gehäuse ragen) eine ausreichende Kühlwirkung erreicht wird. Ein Langzeittest wird zeigen, ob meine Rechnung aufgeht. Nun aber muss erst einmal der zweite Kanal aufgebaut werden und dann geht es an die Gehäusearbeiten.

Für alle interessierten Bastler möchte ich hier noch den Schaltplan in der endgültigen Fassung und einen Bestückungsplan für die Lötösenleisten mit den Röhrenfassungen bringen.




Folgende Verbindungen sind an den bezeichneten Lötösen anzubringen:

1 ---> Eingang

2 ---> Heizung

6 ---> + Ub

8 ---> Heizung

10 ---> Masse

11 ---> + Ub

12 ---> AÜ

15 ---> + Ub

16 ---> AÜ

20 ---> Masse

21 ---> Masse

Die Lötösen 5 und 9 sind nicht benutzt und können ggf. für zusätzlich erforderliche Lötstützpunkte genutzt werden.




Inzwischen hat alles seinen Platz im Gehäuse gefunden und der erste Probebetrieb ist gelaufen. Die Netztrafos als Ausgangsübertrager hatten dabei die geringste Einbauzeit, denn nach etwa 3 Stunden habe ich sie wieder ausgebaut und dafür die auf den Fotos zu sehenden 100-V-Übertrager eingebaut. Hat leider den Nachteil, dass ich jetzt für die Aüs noch ein Abdeckblech zimmern muß, denn trotz der verwendeten Anodenspannung von knapp 60 V möchte ich keine von außen zugänglichen elektrischen Kontakte haben.




Frontansicht




Rückansicht


Dann der große Hörtest. Angeschlossen wurde als Signalquelle ein CD-Player und als Boxen zunächst einmal ein Paar selbstgebaute Breitbänder. Das klang alles schon recht gut. Selbst meine bessere Hälfte hatte ein lobendes Wort, nachdem mal ihre Lieblings-CD eingelegt war. Danach durfte der kleinen Verstärker auch mal in die Stube. Da ich noch keinen passenden Vorverstärker habe, musste der in der Stubenanlage eingebaute Entzerrverstärker für den Phono-Eingang benutzt werden. Als Boxen kamen diesmal die RFT-Fabrikate vom Typ k 23 profil zum Einsatz. Der Klang überraschte mich, ich hatte nicht erwartet, dass der Verstärker an diesen Boxen solch eine Leistung abgeben konnte. Vollaussteuerung musste im Interesse der Nachbarn auf einen späteren Test verschoben werden. Leider merkt man nun auch ganz deutlich, wo der Gleichlauffehler des Stereo-Potis liegt. Das aber trügt die freude über den gelungenen Aufbau nun auch nicht mehr.







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letzte Aktualisierung: 11.02.2011

Autor: Jürgen Uhlich